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Die Aneignung von Raum

31. Mai 2012
Carmen Keckeis
Wohnen & Leben

Bezieht man eine vollkommen leere Wohnung fühlen sich die Wenigsten sogleich heimelig oder wohl, aber man kann sich schon gut vorstellen, wie man alles einrichten könnte und dass es einmal ein wunderschönes und gemütliches Zuhause sein wird.

Ebenso bei Bezug einer bereits möblierten Wohnung – die Meisten fühlen sich erst dann so richtig wohl, wenn sie die Wohnung und die vorhandene Einrichtung mit ihrem persönlichen Touch bzw. Geschmack bereichert haben. Auch wenn es sehr viele verschiedene Vorstellungen davon gibt, wie eine gemütliche, schöne, heimelige Wohnung ausschauen soll, welche Rolle moderne oder stylische Einrichtungsgegenstände dabei spielen, wie hoch der Grad an Ordnung und Sauberkeit sein soll und man am Ende meist Kompromisse mit den anderen Bewohnern der Wohnung eingehen muss, gibt es doch einen Grundnenner, der ganz grundlegend Einfluss darauf hat, ob man sich wohl und Zuhause fühlt oder nicht. Und zwar braucht jede/r seinen/ihren eigenen Platz, den er/sie individuell aneignen kann, wo er/sie tun und lassen kann, was er/sie will und den er/sie als Rückzugsort nutzen kann. Oder brauchen Sie das etwa nicht?

Erkennbar ist die große Bedeutung eines ‘Platzes für sich‘ beispielsweise auch bei Obdachlosen, die kein eigenes Heim, keinen Platz für sich haben und oft mit Hilfe von Kartonagen, alten Brettern, etc. versuchen, sich so etwas wie eine Hütte, ein Zuhause zu bauen – einen Platz für sie selbst, wo sie unter anderem geschützt sind vor den Blicken Anderer.

Bei dem Gefühl Zuhause zu sein geht es also nicht nur um den Platz an sich – also um die leere Hülle der Wohnung – sondern insbesondere darum, dass sich Menschen diesen Platz individuell und nach ihren Vorstellungen und Wünschen aneignen und gestalten können. Um diesen Begriff in Bezug auf das eigene Zuhause zu verdeutlichen: „Mit Aneignung ist ein Vorgang gemeint, bei dem die objektive Umwelt („house“) in eine subjektive und persönlich bedeutsame Umwelt, das Zuhause („home“) umgewandelt wird. (…) Charakteristisch für die Aneignung ist, dass die betreffende Person Beziehungen, d. h. Haltungen und Verhaltensweisen, zu den Dingen und Räumen, die von ihr angeeignet werden, entwickelt. Die Dinge bzw. Orte bekommen einen persönlichen Mehrwert.“1

Geht es bei der Aneignung eines Raumes nach den individuellen Wünschen und Vorstellungen somit rein um das Bedürfnis, sich an diesem Ort Zuhause zu fühlen? Oder kann dieser angeeignete Raum vielmehr als Mittel der Kommunikation betrachtet werden, indem er von den Menschen bewusst so gestaltet wird, damit er Anderen ein bestimmtes Bild von einem selbst vermittelt, ganz nach dem Motto ‘Zeige mir wie du wohnst und ich sage dir wer du bist‘? Kann die bewusste Gestaltung eines Raums als Wunsch nach Anerkennung und Zugehörigkeit gesehen werden? Oder als Akt der Selbstdarstellung? Oder steckt dahinter in gewisser Weise eine Art Machtausübung, die uns ein gutes Gefühl vermittelt? Warum ist es für Menschen so wichtig, sich einen Raum aneignen zu können, ihn zu etwas Eigenem zu machen?
 

1 Flade Antje (2006): Wohnen psychologisch betrachtet. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S.29

Carmen Keckeis

Carmen Keckeis studiert Soziologie an der Universität Wien. In ihrer Diplomarbeit beschäftigt sie sich mit dem urbanen Phänomen Selfstorage und mit der Frage, warum diese Dienstleistung in Wien auf eine so große Nachfrage trifft. Als Ursachen für den gestiegenen Bedarf nach zusätzlichem Stau- und Lagerraum identifiziert sie unter anderem gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, die veränderte Platzbedürfnisse nach sich ziehen. Aus der Beschäftigung mit der Thematik Selfstorage ergaben sich für sie weitere interessante Fragestellungen, die sie beabsichtigt vertiefend zu erforschen.